Russland sieht steigende Inflation als Gefahr und reagiert – Im Gegensatz zum Westen

Während die westlichen Zentralbanken die hohen Inflationsraten als lediglich „vorübergehend“ betrachten und weiter an einer lockeren Geldpolitik festhalten, geht die russische Notenbank den entgegengesetzten Weg.

Die Verbraucherpreise in Russland laufen heiß. Die Inflationsrate hatte im Mai mit 6 Prozent den höchsten Wert seit Oktober 2016 erreicht. Lebensmittel verteuerten sich sogar um 7,4 Prozent. Im Zuge der konjunkturellen Erholung sei mit weiter erhöhtem Inflationsdruck zu rechnen.

Steigende Inflation ist ein globales Phänomen

Hohe Inflationsraten sind derzeit ein globales Problem. Auch in Deutschland haben die Verbraucherpreise in diesem Jahr stetig zugelegt. Im Mai erreichte die jährliche Inflationsrate mit 2,5 Prozent den höchsten Stand seit fast 10 Jahren. In der Eurozone ist die Inflation im Mai knapp über das Ziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent gestiegen. Die USA verzeichneten im Mai sogar eine Inflationsrate von 5 Prozent.

Doch obwohl steigende Inflationsraten ein globales Phänomen darstellen, reagieren die jeweiligen Zentralbanken auf unterschiedliche Weise. Die Gouverneure der US-Notenbank sprechen immer wieder davon, dass die Inflation „vorübergehend“ sei und wahrscheinlich von selbst wieder verschwinden werde. Daher belassen sie die Zinssätze bis mindestens nächstes Jahr auf nahezu Null und kaufen weiterhin Wertpapiere im Umfang von 120 Milliarden Dollar pro Monat, um die langfristigen Zinssätze zu drücken.

Russland weicht vom Weg der anderen Zentralbanken ab

Russland hingegen geht den umgekehrten Weg. Diese Entwicklung begann bereits am 19. März mit einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent. Diese Entscheidung der russischen Notenbank kam für 27 der 28 von Reuters befragten Ökonomen überraschend. Mit einer Zinserhöhung hatten sie nicht gerechnet. Am 23. April erhöhte die Notenbank ihren Leitzins um weitere 50 Basispunkte auf 5 Prozent und am 11. Juni um weitere 50 Basispunkte auf 5,5 Prozent.

Die nächste Zinssitzung der Bank von Russland ist für den 23. Juli geplant. Gouverneurin Nabiullina bereitet die Märkte bereits auf die Möglichkeit einer weiteren schockartigen Zinserhöhung vor. Auf der Juli-Sitzung werde die Zentralbank eine Erhöhung um „25 Basispunkten bis 1 Prozentpunkt“ in Betracht ziehen, sagte sie im Interview mit Bloomberg. „Wir sehen, dass die Inflation erhöht bleibt und dass die Inflationserwartungen ziemlich hoch sind“, so die Notenbankchefin.

Die anfänglichen Faktoren für diesen Inflationsschub waren die Abschwächung des Rubels im letzten Jahr und die Preissteigerungen bei Rohstoffen und Lebensmitteln, so Nabiullina. Diese beiden Faktoren allein würden keine geldpolitische Intervention erfordern. Aber jetzt blieben die Inflationserwartungen erhöht. „Das ist der Grund, warum wir sehen, dass die Inflationsbeschleunigung nicht vorübergehend ist, wie in vielen anderen Ländern, sondern eher anhaltend“.

Als Folge der höheren Inflation sieht Nabiullina die Notwendigkeit, dass die russische Notenbank die Zinsen erhöht. „Wir haben den Märkten signalisiert, dass weitere Leitzinserhöhungen notwendig sein können, um die Inflation einzudämmen.  Jetzt sehen wir, dass es gerechtfertigt ist“. Die Wirtschaft habe sich recht schnell erholt. Das Nachfragewachstum übersteige das Wachstum des Angebots. Und diese Lücke schaffe zusätzlichen Inflationsdruck.

Russland hat weiterhin negative Realzinsen

Nach Ansicht von Gouverneurin Nabiullina ist die Geldpolitik der russischen Notenbank noch immer „locker“. Denn, so ihre Argumentation, der aktuelle Leitzins von 5,5 Prozent ist weiterhin niedriger als die Inflationsrate von zuletzt 6 Prozent und so die Inflationserwartungen. Demzufolge verfolgen EZB und Fed eine extrem lockere Geldpolitik. Denn deren Leitzinsen liegen derzeit bei 0 Prozent beziehungsweise im Bereich von 0 bis 0,25 Prozent. Dies hat zur Folge, dass ihre Realzinsen viel weiter im negativen Bereich liegen als die Russischen.